vitae

1952
geboren in Grabs SG, Schweiz

1968 - 1973
Ausbildung Höhere Fachschule für Künste und Gestaltung, St. Gallen (CH) - Vorklasse und Fachklasse Grafik
Lehrausbildung Louis Jäger, Atelier für Grafik und Ausstellungsgestaltung, Vaduz, (FL) - Abschluss mit Eidgenössischem Zertifikat

1975 - 1999
Berufsausübung - eigenes Grafikatelier
Mitglied der Swiss Graphic Designers, Design Austria

1989 - 1991
Kunstschule für Sehen, Malen und Kunstorientierung, Luzern (CH)
Ausbildungen: Individual Psychologie - Alfred Adler Institut
Zürich (CH) Bewegungsanalytische Tanzpädagogik Carry Rick
Ausdrucksmalen - Bettina Egger Zürich (CH)
Suggestopädie Nikolas Hürlimann Zürich (CH)
ELYSIUM - eigenes Kreativatelier für Kinder und Erwachsene zur Erhaltung deren eigener Kreativität, Birmensdorf ZH (CH)

1989
Internationale Sommerakademie Salzburg - Prof. Vlassis Caniaris, Plastik

1990
Internationale Sommerakademie Salzburg - Prof. Jiri Salamonn, Zeichnung / Illustration

1991 & 1992
Dozentin an der Sommerakademie Neuburg a. D (D) mit Prof. Rudi Seitz

1992
Übersiedelung aus Zürich nach Wien

1997
Dozentin “Experiment Bilderbuch” Oldenburg (D) (Oldenburger Jugend- und Kinderbuchmesse)

ab 1997
Tätigkeit ausschließlich als freischaffende bildende Künstlerin mit Einzel- und Gruppenausstellungen in Italien, Liechtenstein, Luxenburg, Österreich, Rumänien, Schweiz
Ankäufe Bilder / Objekte für den öffentlichen Raum, private Ankäufe

Mitglied
DA design austria | visarte CH / FL | SIK-ISEA Schweiz | Bildrecht Wien | basis wien – Kunst, Information & Archiv | BV Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs | Sezession Graz |Mitglied Gruppe 30, Galerie Bertrand Kass Innsbruck

Adnotes zu den Schöpfbildern von Yoly Maurer
(am Beispiel des Projektes 1+366)
Wie viele Gegenstände nehmen wir jeden Tag in die Hand? Wie viele Zeitungen, Bücher, Werbekataloge und sonstige bedruckte Blätter, auf denen die leichte Bewältigung des Alltags gepriesen wird und auf denen die Sonderangebote der Supermärkte gleich Angeln ausgelegt werden? Dazu kommen Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Essbesteck, Gläser, Flaschen, Bettzeug, Kleidungsstücke, Tischplatten, Sessellehnen, Telefonhörer, Wahltasten, Türklinken, Fensterriegel, Klingelknöpfe, Zahnbürsten, Kämme, Haarshampoos und weitere Kosmetika. Wir berühren, ergreifen, betatschen, begrapschen und wiegen prüfend jeden einzelnen Tag derart viele verschiedene Dinge in unseren Händen, dass wir die Frage nach der Größenordung der Anzahl nicht nur nicht beantworten können, sondern die meisten gar nicht wirklich registrieren. Wir gebrauchen ganz einfach Dinge und stellen sie danach entweder wieder dorthin zurück, wo wir sie herge- nommen haben (wir sind hoffentlich ordungsliebend) oder wir entsorgen das unnütz gewordene Zeug. Täten wir das nicht, unser Lebensraum wüchse von Populationen unterschiedlicher Art zu. Drucksorten-, Plastikbecher-, Blechbüch- sen-, Ein- und Mehrwegflaschenpopulationen usw. usf. Yoly Maurer hat sich in ihrem Projekt 1+366 vorgenommen, jeden Tag festzuhalten. Und was im ersten Augenblick vielleicht der zum Gassenhauer gewordene Schlager von Udo Jürgen „Ein Tag wie jeder ... „ glauben lässt, nämlich ein Tag sei wie der andere, muss sich eines besseren belehren lassen.
Gewiss der Karawankenschnulzero sinniert von der Liebe, was den Vergleich ein bisschen holprig macht. Wovon sonst sollte man täglich träumen, fragt man sich leicht genervt. Im Schlager wird immer nach der Liebe bzw. deren Ende oder Wiederbelebung gefragt, die Antwort verhält sich im Regelfall wie das Negativ zum Positiv, wenn man mit den irdischen Verhältnissen nur ein wenig vertraut und bereit ist, die weltlichen Gegebenheiten ohne geschönten Blick wahrzuneh- men.
Dennoch kann man sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, ein Tag liefe wie der andere ab, die Unterschiede seien als bloß marginal zu bezeichnen. Der Tagesablauf ist meistens mehr oder weniger nach demselben Muster strukturiert. Schließlich - es wurde bereits in einem anderen Zusammenhang gesagt - sind wir im Regelfall ordnungsliebend. Mit dieser bequemen Vorstellung - ein Tag gliche einem anderen (dem nächsten) wie ein Ei dem anderen - ist es vorbei, wenn man die Schöpfbilder von Yoly Maurer in Augenschein nimmt
Es stimmt eben nicht, ein Tag ist nicht wie jeder andere, sondern anders. Ganz anders sogar. Das Jahr 2008 hatte 366 Tage und jeden einzelnen Tag hat Yoly Maurer durch ein Schöpfbild festgehalten und ihm dadurch ein individuelles Antlitz gegeben, wobei der Begriff „individuell“ zweierlei meint: Einerseits unterscheidet sich jeder einzelne Tag vom vergangenen, der sich von dem davor verstrichenen unterscheidet, wie die Spuren deutlich machen. Andrerseits: Es sind ihre persönlichen Spuren, die sie hinterlassen hat. Jeder einzelne Mensch hat Kontakt mit anderen Gegenständen und Nahrungsmitteln, die ein anderes Bild ergeben würden, fertigte jeder von uns sein persönliches Schöpfbild.
Was ist eigentlich ein „Schöpfbild“? Die Bezeichnung „Schöpfbild“ verweist einer- seits auf den Umstand, dass benutztes Material aus oder mit Wasser auf ein Sieb geschöpft wird, andrerseits sind es Schöpfungen aus jenen Materialien, welche den jeweiligen Tag charakterisieren. Rein technisch gesehen handelt es sich um einen handwerklichen Vorgang, der in mehreren Regionen der Welt entwickelt wurde und als Papiererzeugung allgemein bekannt ist. Yoly Maurer verwendet vorwiegend Hadern zur Herstellung ihrer besonderen Papiere. Aus dem dün- nen Papierbrei schöpft sie das Blatt mit Hilfe eines sehr feinmaschigen, flachen, rechteckigen Schöpfsiebes von Hand. Die Größe des Schöpfsiebs bestimmt die Größe des Papierbogens . In den dünnen Papierbrei sind entweder die den Tag bestimmenden Materialien wie Gräser, Zeitungsschnipsel, Reste von Plastiktüten bereits beigemischt oder werden während des Vorgangs des Gautschens hin- eingedrückt wie Sand oder kleine Steine. Der nicht mehr alltägliche Begriff des Gautschens kurz erklärt: Er bezeichnet den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers, das Ablegen des frisch geschöpften Papierbogens auf eine Filzunterlage, über die Yoly Maurer ein Baumwolltuch legt. Nach der Trock- nung schabt sie das Papierblatt von dem Tuch.
Sie (Yoly Maurer) meint, dass bunte Eierschalen zum Synonym für einen befreiten fröhlichen Tag werden und Goldfarben auf besonders inspirative Stunden hin- weisen. Lässt man den Blick über die einzelnen 366 abstrakten Tagesprotokolle streifen, wird sofort erkennbar: Buntere - also fröhlichere bzw. ereignisreichere Bilder befinden sich neben grauen - also faderen Tagen. Nimmt man nun die einzelnen Bilder in Augenschein sieht man, dass sich Yoly Maurer einerseits einer alten handwerklichen Technik bedient, doch andrerseits einen Vorgang des Recycelns vornimmt. Der achtlose Vorgang des Wegwerfens von Gegenständen wie Verpackungsmaterialien, Werbebroschüren, Zeitschriften und Zeitungen ist bei ihr nicht möglich. Sie muss bei jedem Gegenstand die Frage stellen, was bedeutet das für die Charakteristik eines Tages. Sicherlich kann sie nicht alles verwenden, doch aus Abfall wird Rohstoff für ihre Kunst. Da bekanntlich beim Recycling zwischen Upcycling und Downcycling unter- schieden wird - aus Abfallstoffen können hochwertige oder minderwertige Pro- dukte hergestellt werden - ist die Tätigkeit, die von der Künstlerin vorgenommen wird, als besonders hochgradiges Upcycling zu bezeichnen. Was gibt es Kostbareres als Kunst, in der Handwerk, Ästhetisierung und Verstand zu einander finden? Anders gesagt: In dieser stark handwerklich orientierten Kunst sucht Yoly Maurer den Dialog zwischen der arbeitenden Hand und dem sehenden Auge ins Bild zu rücken.
Vorher habe ich nach der Zitierung eines Schlagers des kärntnerischen Barden die Frage gestellt, wenn man nicht von der Liebe träumt, wovon dann? Die Frage hat nun eine wenig romantische Antwort gefunden: den achtvollen (achtsamen) Umgang mit Gegenständen. Was nicht zwangsläufig meint, man solle jedes Plastiksackerl in Demut ergreifen und jede Postwurfsendung mit erfurchtsvollem Schauer, sondern: Wie können wir das eine oder andere Mal mit der Menge an Gegenständen bewusst umgehen. Wenn man will, ließe sich ein unaufdringliches „carpe diem“ erkennen.
Die 366 Bilder sind als Spirale gelegt, von innen beginnend und nach außen sich nach rechts drehend. Bekanntlich ist eine Spirale eine Kurve, die um einen Punkt oder eine Achse verläuft und sich je nach Laufrichtung von diesem bzw. dieser entfernt oder annähert. Interessanter ist die Laufrichtung: nach rechts. Dies ist die Richtung des Lebens, während die Richtung nach links den Weg zum Tod symbolisiert. So gesehen, ist das zu einem Gesamtbild gewordene Jahr eine Aufforderung und ein Zeichensetzen zum bewussten Leben.
Man mag nun denken: Wer Kunst schaffen möchte, sollte sich Materialien bedienen, die eine gewisse Stabilität und Dauerhaftigkeit in sich tragen. Stein- skulpturen und Eisenplastiken würde man solch eine Beständigkeit am ehesten zutrauen. Doch Papier, ist das nicht besonders gefährdet? Dem ist entgegenzu- halten, dass Papiere als Beschreibstoff sich bereits für das dritte vorchristliche Jahrtausend nachweisen lassen. Das bedeutet: Bei günstiger Lagerung können sich noch Menschen im Jahr 7000 und etliches an den Arbeiten von Yoly Maurer erfreuen. Doch das nur nebenbei.
Sicher ist, dass sich die Bilder, wenn sie dem Licht ausgesetzt sind, verändern werden und so wie die Erinnerungen an die meisten Ereignisse schwinden, wird auch jeder Tag des Jahres 2008 vermutlich an Strahlkraft verlieren. Dieser Aspekt bedeutet mir am meisten: Wenn ich mir die Verkünder von angeblich ewig geltenden Wahrheiten anhöre, beschleicht mich Ungemach. Ewig gültig und ab- solut unverrückbar. Gab es nicht schon einiges, was für die Ewigkeit gedacht war und dann verschwand? In die eigene Kunst die Vergänglichkeit zu integrieren, ist doch ein Hinweis darauf, dass alles, was uns umgibt inklusive dem, was wir sind, irgendwann einmal vergangen sein wird. Was nicht Bedeutungslosigkeit bedeutet!
Helmuth A. Niederle

Schöpfbilder
Mit ihrer Technik der Schöpfbilder setzt Yoly das In Progress Prinzip fort. Sie sam- melt Geschichten und deren Materialisierungen auf Papier. Aus diesen Papier- und Lumpensammlungen lässt sie etwas Neues entstehen. Oft verwendet Yoly bereits produzierte Schöpfbilder weiter.
So verarbeitete sie auch für das Werk des Hirtenteppichs alte Schöpfbilder wei- ter. Wie Flicken einer Patchworkdecke wurden sie aneinandergefügt. Der Titel verweist auf die Hirtenteppiche, die meist aus Schafsfell gefertigt sind. Die Teppi- che reisen mit den Hirten und den Schafen durch die Landschaft und nehmen im Laufe der Zeit Gräser, Erde, Blütenblätter und vieles mehr auf. Sie werden gleich- sam zu topologischen Informationsträger, so Yoly.
Das Werk Weinleben ist während eines Aufenthalts in Feuersbrunn entstan- den. In dem Weinanbaugebiet am Wagram hat Yoly intensiv gesammelt und aus Trester, Löß, Rebenstücke, Gewürzen, aber auch Etiketten und Listen neue Schöpfbilder produziert.
Zeitungen poetisch verändern
Zeitungen haben mit dem Leben um mich herum zu tun, sagt Yoly. Intensiv sammelt sie die Produkte der Informationsgesellschaft. Sie geht sowohl von den Inhalten, als auch von der Materialität aus und spielt damit. Gedrucktes und Bedrucktes werden zu einer neuen Masse, neu geschöpft und mit neuen Infor- mationen ergänzt.
Den Beginn dieser Schöpfungsphase markieren die Papyrus – Bilder. Für diese von ihr bezeichneten Raum- und Zeitspeicher verwendete sie zunächst Zeitun- gen aus Kairo. In der Folge sammelte sie Zeitungen aus aller Welt.
Die Masse des Papiers und die Dichtheit der produzierten Information erfordert Platz und nun – in der gegenwärtigen Werksphase - stellt Yoly Türme in den Raum. Die Werkgruppe der Säulen bezeichnet Yoly als Statements zur Informations- und Mediengesellschaft. Die Skulptur des Information Towers besteht aus mehr als 1000 Schöpfbildern. Die Masse der Blätter steht für die Komplexität an Informationen. Das Gehäuse aus Plexiglas verweist auf das Motiv des Wolkenkratzers und damit auf die Macht der Medienkonzerne, die sich durch repräsentative Architektur in die Stadtbilder einschreiben.
Isabel Termini

Sich ausstülpende Flächen - vom planen Bild zum räumlichen Objekt
YOLY lässt ihr Streben nach Veränderung, nach einem zur Disposition Stellen des bisherigen Zugangs, einem Diskutieren des eigenen Blickwinkels, einem Revidieren der gewohnten Arbeitsweise und einer Exposition neuer Ideen in besonderer Weise auch am Ausdrucksmedium ihres künstlerischen Schaffens selbst wirksam werden.
Das InProgress Prinzip findet sich in den verschiedensten Perioden ihres Œvres, von den Gouache Bildern beginnend über die Schöpfpapierarbeiten bis hin zu den raumgreifenden Arbeiten mit Gipsobjekten, Skulpturen und Schöpf-Masken.
Grundbezug all dessen ist die intensive Auseinandersetzung mit verschiedensten Artefakten, seien sie physischer, gesellschaftlicher oder geistiger Natur. YOLY selbst wird gleichsam zum Katalysator eines Prozesses, in welchem persönliche Erlebnisse, Medienberichte, gesellschaftliche Fragen, philosophische Aspekte und transzendente Gedanken in reale Objekte künstlerischen Schaffens transformiert werden.
Auch an YOLYs dreidimensionalen Arbeiten lässt sich der Dialog mit dem Betrachter, der Prozess von Disposition - Diskussion – Revision - Exposition nachvollziehen. In besonders intensiver Weise wird dies erkennbar, wenn YOLY ihre eigene „Totenmaske“ als Ausgangspunkt ihrer Skulpturen verwendet, gleichsam sich selbst zur Disposition stellt und weiterentwickelt.
Walter Hessler